Am 26. April 1986 ereignete sich in Tschernobyl nahe von Prypjat einer der größten Unfälle in der Geschichte der Atomenergie: in dem ukrainischen Atomkraftwerk kam es zu einer vollständigen Kernschmelze. Dadurch kam es zu Explosionen, die radioaktives Material in die Luft gestoßen haben und somit Orte in der Nähe teilweise bis heute unbewohnbar gemacht haben.
Trotz dessen gibt es immer mehr Menschen, die Exkursionen zu genau diesen Orten und sogar dem Reaktor machen.
Die Katastrophe rund um Tschernobyl interessiert einen Großteil der Menschen, fast jeder hat schon einmal von ihr gehört. Da war es nur eine Frage er Zeit, bis das Geschehen in eine hochwertige (Mini-)Serie verpackt wird. „Chernobyl" ist eine Produktion von HBO und Sky und zeigt die Folgen der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl.
Nach Ausstrahlung der Serie konnten Firmen, die Touren nach Tschernobyl anbieten, einen drastischen Anstieg bei ihren Buchungen verzeichnen. Doch was macht Touren in solch gefährliche und teils gruselige Orte so spannend?
Die einen fahren im Urlaub gerne an den Strand, liegen am Pool und schauen sich eventuell Kunstausstellungen an – die anderen gehen einem aktuellen Reisetrend nach und besichtigen beispielsweise Kriegsausstellungen oder Massengräber.
Dark Tourism bezeichnet den Trend, im Urlaub gezielt gruselige und verstörende Orte aufzusuchen. Laut dem „Institute for Dark Tourism Research“ wird Dark Tourism definiert als „Besichtigung von Orten, Attraktionen und Ausstellungen, die sich mit Tod, Leid oder dem scheinbar Makabren befassen.“
Aber woran liegt es, dass Menschen sich in ihrem Urlaub lieber mit beängstigen Dingen anstatt mit Sonne und Strand beschäftigen? Die eine richtige Antwort gibt es natürlich nicht. „Die Motivation für solche Besuche ist der Wunsch nach wahrhaftigen oder symbolischen Begegnungen mit dem Tod.“, so John Lennon, Co-Autor von „Dark Tourism“. Sein Kollege Stone hingegen meint, der „Todestourismus“ sei ein Ventil der Gesellschaft, welche den Tod aus ihrem Alltag verbannt hat.
Auch Neugier und Wissensdurst sollen mit solchen Besuchen gestillt werden. Gedenkstätten sind ja auch dazu da, sich weiterzubilden.
Neben Tschernobyl gibt es noch viele weitere Orte für diesen außergewöhnlichen Tourismus:
Murambi, Ruanda
In Ruanda gibt es mehrere Gedenkstätten des Völkermordes, der dort stattfand. Vor allem aber die Gedenkstätte in Murambi ist schockierend, da dort exhumierte Leichen aus Massengräbern weiß gekalkt auf Tischen ausgestellt werden. Für uns durchaus ein sehr unangenehmer Gedanke, doch aus innenpolitischer Sicht ergibt das Sinn: man will nicht, dass der Völkermord geleugnet wird und gleichzeitig auch vor einem erneuten Genozid warnen.
Katakomben von Paris
Unter der Hauptstadt von Frankreich befinden sich ehemalige Steinbrüche, ein Labyrinth aus Gängen, insgesamt etwa 300 Kilometer. Ein Teil davon dient als Beinhaus. Im Zuge der Schließung vieler Pariser Friedhöfe wurden nämlich bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts etwa sechs Millionen Gebeine von Pariser Einwohnern in die Katakomben überführt. Einblicke bietet ein eineinhalb Kilometer langer Rundgang.
Das Vernichtungslager von Auschwitz
Das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau war das größte deutsche Vernichtungslager während der Zeit des Nationalsozialismus. Nach Schätzungen wurden hier mehr als eine Millionen Menschen ermordet. Ein Ort, der kaum zu fassen ist, aber notwendig, um das Geschehene niemals zu vergessen und es nicht erneut zu solch einer grausamen Zeit kommen zu lassen.
Die Killing Fields in Kambodscha
Zwischen 1975 und 1979 herrschte in Kambodscha ein Terrorregime, dessen Plan es war, ein Bauernstaat zu errichten. Erschießungen, Folter und Hungersnot, um diesen Plan umzusetzen, führten Schätzungen zufolge zu 1,7 Millionen toten Menschen. Ein Massenmord am eigenen Volk. Die Killing Fields, die sich etwas außerhalb der Hauptstadt Phnom Penh befinden, sind ein Symbol des Genozids.
Wer Urlaub außerhalb der Norm machen möchte, kann sich gerne mal am „Dark Tourism“ versuchen. Ein wenig abgehärtet sollte man allerdings schon sein.